Das Flusskanonenboot SMS Tsingtau war eines der beiden Schiffe der Tsingtau-Klasse, die speziell für die Flüsse in China zum Schutz deutscher Interessen konstruiert und gebaut wurden. Der wachsende wirtschaftliche Raum der deutschen Handelsgesellschaften erforderte den militärischen Schutz vor Überfällen, besonders vor Piraten.
Stapellauf und Bauform:
Bereits 1860 auf der Pekinger Konvention wurde Beschlossen, dass ausländische Militärschiffe die chinesischen Flüsse benutzen durften. Da die deutschen Interessen der Wirtschaft zum Ende des 19. Jahrhunderts in diesem Gebiet auch immer mehr an Bedeutung und Einfluss gewannen, forderten die deutschen Firmen die Regierung auf, besseren Schutz bei Unruhen und gegen die Flusspiraten aufzustellen.
Zunächst wurden hierfür 1899 die Dampfbarkasse Schamien und der Flussdampfer Vorwärts gekauft und entsprechend umgerüstet. Doch bereits nach kurzer Zeit zeigte sich, dass beide Schiffe völlig unzureichend für die gestellten Aufgaben waren. so beschloss das Reichsmarineamt ab 1902 eigene, den Anforderungen entsprechende Schiffe bauen zu lassen. Eines der Schiffe wurde durch die Regierung finanziert, das zweite Schiff finanzierte sich durch Spenden und Gelder der deutschen Firmen in China, die dessen Schutz benötigten.
Bei der Konstruktion wurde besonders darauf geachtet, dass der Tiefgang so gering wie möglich gehalten wurde, da die Schiffe auf den Flüssen auch in seichte Gewässer vordringen mussten. Dies wurde durch 9 einzelne Stahlpontons erzielt, wobei diese im zerlegten Zustand auch für die Verschiffung von der Elbinger Werft F. Schichau nach Tsingtau gut geeignet waren.
Die Bewaffnung bestand aus einer 8,8 cm L/30 und einer 5 cm L/40 Schnellladekanone. Zudem konnten 2 bis 3 Maschinengewehre mit geführt werden.
Der Stapellauf der SMS Tsingtau erfolgte am 18. April 1903, die Indienststellung am 3. Februar 1904.
Werdegang der SMS Tsingtau:
Nach der Indienststellung erfolgten zunächst noch im deutschen Kaiserreich die Erprobungsfahrten. Anschließend wurde das Schiff wieder in seine 9 Stahlpontons zerlegt und mit dem Dampfer Prinzess Marie nach Hongkong gebracht, wo es in einer Werft wieder zusammen gebaut wurde.
Die offizielle Übergabe an die kaiserliche Marine erfolgte am 3. Februar 1904, wobei das Schiff auch dem Ostasiengeschwader unterstellt wurde.
Als Einsatzgebiet wurden dem Schiff die Flüsse Perlfluss und Westfluss sowie das Mündungsgebiet um Hongkong und Macau zugeteilt. Dort sollte es die deutschen Interessen vertreten und gegen die aufkommenden Piraten kämpfen.
In der Folgezeit war das Schiff zudem am Löschen eines Brandes in Macau im Juni 1906, an der gemeinsamen Bekämpfung von Piraten mit britischen und französischen Schiffen in der Westfluss und Ostfluss Mündung sowie an der Überführung des verstorbenen Geschwaderchefs, KonteradmiralErich Gühler, auf den Dampfer Bülow des Norddeutschen Lloyd am 21. Januar 1911 beteiligt.
Als im Oktober 1911 die Xinhai-Revolution in dem Gebiet ausbrach, wurde die SMS Tsingtau zum Schutz des deutschen Konsulat in Kanton eingesetzt.
Als im Juli 1914 die politischen Spannungen in Europa nach der Ermordung des Österreich-Ungarischen Thronfolgers zunahmen, erhielt die Tsingtau den Befehl nach Kanton zu fahren wo es am 1. August eintraf. Im Zuge der Mobilmachung wurde das Schiff aufgelegt und die Besatzung, bis auf einen kleinen Rest, vom Dienst auf dem Schiff abgezogen.
Einsatz im Krieg:
Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges brach der Kommandant des Schiffes mit Teilen der ehemaligen Besatzung auf um den kleinen Kreuzer SMS Emden und den Kohlendampfer Hoerde zu erreichen. Auf dem Weg dorthin wurde die Männer von niederländischen Soldaten gefangen genommen und interniert. Etwas später gelang den Männern die Flucht, wobei sie den Schoner Marboek erbeuten konnten. Mit diesem fuhren sie bis Anfang März 1915, wo sie schließlich die arabische Küste erreichten. Auf dem Weg in Richtung des osmanischen Reichen wurden die Männer am 29. März 1915 nördlich von Dschidda überfallen und getötet.
Ein weiterer Teil der ehemaligen Besatzung machte sich auf den Weg nach Tsingtau, wo sie auf dem Hilfskreuzer SMS Cormoran einschifften und Ende des Jahres in den USA internierten.
Verbleib:
Ein kleiner Teil der ehemaligen Besatzung war beim Schiff verblieben. Als am 21. März 1917 China dem deutschen Kaiserreich ebenfalls den Krieg erklärte, entschied sich die Besatzung das Schiff selbst zu versenken damit es nicht den chinesischen Truppen in die Hände fallen würde.
Eine spätere Bergung des Schiffes misslang.
Kommandanten:
3. Februar 1904 bis November 1905 | Kapitänleutnant Giebler |
November 1905 bis November 1906 | Kapitänleutnant Brehmer |
November 1906 bis November 1907 | Kapitänleutnant Förtsch |
November 1907 bis November 1909 | Kapitänleutnant Roß |
November 1909 bis November 1911 | Kapitänleutnant Nikolaus Graf zu Dohna-Schlodien |
November 1911 bis Oktober 1912 | Kapitänleutnant Freiherr von Fircks |
Oktober bis Dezember 1912 | Oberleutnant zur See Freiherr von Speth-Schülzburg |
Dezember 1912 bis 2. August 1914 | Oberleutnant zur See / Kapitänleutnant Erwin von Möller |
Schiffsdaten:
Name: |
SMS Tsingtau |
Land: |
Deutsches Reich |
Schiffstyp: |
Flusskanonenboot |
Klasse: |
Tsingtau-Klasse |
Bauwerft: |
F. Schichau, Elbing |
Baukosten: |
497.000 Mark |
Stapellauf: |
18. April 1903 |
Indienststellung: |
3. Februar 1904 |
Verbleib: |
Am 21. März 1917 nahe Kanton selbst versenkt |
Länge: |
50,1 Meter |
Breite: |
8 Meter |
Tiefgang: |
Max. 0,94 Meter |
Verdrängung: |
Max. 280 Tonnen |
Besatzung: |
58 Mann |
Antrieb: |
2 Thornycroft-Schulz-Kessel |
Leistung: |
1.300 PS (956 kW) |
Höchstgeschwindigkeit: |
13,0 kn (24 km/h) |
Bewaffnung: |
1 × 8,8 cm L/30 Schnellfeuergeschütz (100 Schuss) 1 × 5,0 cm L/40 Schnellfeuergeschütz (200 Schuss) 2 bis 3 Maschinengewehre |
Panzerung: |
Rumpf: 8–12 mm |
Passende Literatur zum Thema findet Ihr hier:
Die kaiserliche Marine im Ersten Weltkrieg: Von Wilhelmshaven nach Scapa Flow
Begünstigt durch die imperialen Bestrebungen von Wilhelm II. entwickelte sich die Kaiserliche Marine ab 1900 zu einer der modernsten Kriegsflotten weltweit. 1914 wähnte sie sich mit der britischen Royal Navy auf Augenhöhe. Dieser Text-Bildband analysiert Stärken und Schwächen der kaiserlichen Flotte und ihrer Gegner im Ersten Weltkrieg. Mit exklusiven Schwarz-Weiß-Fotos und farbigen Darstellungen ausgewählter Memorabilien.
Deutsche Kriegsschiffe: Die Kaiserliche Hochseeflotte 1914-1918 (Typenkompass)
In diesem Typenkompass wird die deutsche Kriegsmarine der Kaiserzeit hervorragend und systematisch vorgestellt. Deutsche Großkampfschiffe und Kreuzer während des Ersten Weltkriegs und Dickschiffe der kaiserlichen Marine porträtiert Robert Rosentreter mit Namen, Typen, Bewaffnungen, technischen Daten, Werdegang und Verbleib.
Deutsche Kriegsschiffe: Die Torpedoboote der kaiserlichen Marine (Typenkompass)
Passend zu ihrer ursprünglichen Aufgabe des deutschen Küstenschutzes verfügte die kaiserliche Marine u. a. über Schnell- und Torpedoboote. Die Aufgabe der deutschen Schnellboote bestand vor allem darin, britische Monitore - das waren Kriegsschiffe in seichten Küstengewässern und auf Flüssen - anzugreifen. Torpedoboote wiederum galten dank ihrer Torpedobewaffnung auch als wirkungsvolle und verhältnismäßig preiswerte Methode gegen große Linienschiffe. Eckhard Klien stellt in diesem Typenkompass alle Schnell- und Torpedoboote vor, die zwischen 1872 und 1918 in der kaiserlichen deutschen Marine zum Einsatz kamen.
Deutsche Kriegsschiffe: Das kaiserliche Ostasiengeschwader (Typenkompass)
Nach der von Großbritannien und den USA erzwungenen Öffnung der Häfen Chinas für den Handel mit ausländischen Mächten wollten auch deutsche Kaufleute sich ein Stück vom Kuchen abschneiden. Durchsetzen ließen sich solche Interessen nur mit einer starken Marine im Rücken. Deshalb entstand ab 1859 in mehreren Schüben das deutsche Ostasiengeschwader. Volker A. Behr skizziert alle wichtigen Kriegsschiffe, die im kaiserlichen Ostasiengeschwader von 1886 bis in den Ersten Weltkrieg hinein Dienst taten, mit ihrer Einsatzgeschichte, ihrer Ausrüstung und Bewaffnung sowie ihren technischen Besonderheiten.
Die Deutsche Marine in ihrer neuesten Uniformierung (Militaria, Kaiserreich, Uniformen, Abzeichen, Kaiserliche Marine, 1. Weltkrieg, History Edition)
Das Original "Die Deutsche Marine in ihrer neuesten Uniformierung" erschien erstmals im Jahre 1910 im Verlag Moritz Ruhl. Dieser Band beinhaltet neben der detaillierten 70-seitigen Beschreibung, 18 farbige Uniformtafeln der Kaiserlichen Marine. Ein klassisches Nachschlagewerk für die Uniformkunde! Format A5, 92 Seiten gebunden, farbige Tafeln. History Edition Band 7.
This post is also available in: